Lob und Tadel in der Erziehung: Warum wir als Eltern schimpfen und wie es anders geht

Eltern kennen das: Momente im Familienalltag, in denen wir das Gefühl haben, immer nur mit unseren Kindern zu schimpfen. Wir ermahnen sie, wenn sie Schimpfworte benutzen, anderen Kindern etwas wegnehmen, wenn sie auch bei der dritten Aufforderung nicht auf uns hören, allzu laut toben, einen Wutanfall bekommen, anderen nichts abgeben wollen, uns anlügen, ihr Zimmer nicht aufräumen oder mal wieder ihre Hausaufgaben nicht machen wollen.

In solchen Situationen fühlen wir uns als Eltern schnell wütend, hilflos, genervt und manchmal ihrer ganzen Energie beraubt. Da wünscht sich sicher manche Mutter oder mancher Vater die Zeiten zurück, in denen die Kinder noch kleine süße Babys waren, die man einfach „nur“ versorgen musste.

Besonders trifft es uns ins elterliche Herz, wenn wir unser Verhalten in der entwaffnenden Ehrlichkeit unserer Kinder gespiegelt bekommen: „Mama, wieso schimpfst du immer nur?“

Muss das wirklich so sein? Oder kommen wir im Alltag auch mit weniger Schimpfen aus? Und was ist besser: Lob oder Tadel?

Warum hört mein Kind nicht – Und wie gehe ich damit um?

Lob & Tadel | Image | Papa hat weinenden Sohn auf dem Schoß

Es gibt viele Gründe, warum ein Kind nicht hört. Und dass unsere Kinder nicht auf uns hören ist der Grund Nummer 1, warum wir als Eltern in Hilflosigkeit geraten und schimpfen. Aber was steckt dahinter und wie können wir als Eltern damit umgehen?

  1. Trotzphasen: Jeder kennt die berüchtigte Trotzphase von Kleinkindern. Manchmal scheint es einem, als würde diese Trotzphase bis zur Pubertät nicht aufhören und dann direkt in sie übergehen. Der empfundene „Trotz“ ist dabei eher das Streben nach Autonomie in Phasen, in denen sich Kinder zunehmend als selbstwirksam erleben.

Unsere Tipps, wie ihr mit Trotz eurer Kinder umgehen könnt:

  • Erkennt als Eltern die Autonomiephase als wichtigen Teil der Entwicklung eures Kindes an – das ist alles ganz normal.

  • Denkt daran: der Trotz richtet sich nicht gegen euch! (Auch, wenn es manchmal so wirkt)

  • Setzt eurem Kind Grenzen, ohne zu schimpfen – mit Geduld und Konsequenz.

2. Verträumtheit: Manchmal ist es auch einfach Verträumtheit, die das Kind nicht hören lässt, etwa weil es so in seinem Spiel versunken ist.

Unsere Tipps für euch:

  • Habt Verständnis – euer Kind will euch nicht ärgern, es liebt einfach nur, zu spielen.

  • Nehmt Blickkontakt auf und geht in Verbindung mit eurem Kind – damit gewinnt ihr seine Aufmerksamkeit viel eher als mit Schimpfen.

  • Plant zusätzliche Zeit ein für Situationen, in denen euer Kind gerne mal verträumt trödelt – das nimmt den Druck raus

3. Gewohnheit: Manchmal ist das Nicht-hören-wollen auch einfach ein erlerntes Verhalten. Wenn euer Kind gewohnt ist, dass ihr nach der dritten Ermahnung doch selbst aufräumt oder euer Anliegen aufgebt, geht dieses Verhalten schnell in Fleisch und Blut über.

Unsere Tipps für euch:

  • Bleibt liebevoll konsequent: auch wenn es anfangs viel Durchhaltevermögen erfordert – so lernt euer Kind am schnellsten, dass ihr es ernst meint.

  • Bleibt in Verbindung: Allzu schnell haben wir ein trotziges „dann mach ich es halt selbst“ auf den Lippen – aber so schadet ihr euch und der Beziehung zu eurem Kind. Bleibt am Ball – es lohnt sich!

Lob oder Tadel? – Was ist richtig?

Lob & Tadel | Image | Papa drückt Mädchen ganz fest an sich

Früher waren Strafen in der Kindererziehung normal, in Familie und Schule reichte das vom in der Ecke stehen bis zum Rohrstock. Heute sind solche autoritären Erziehungsmethoden zum Glück nicht mehr zeitgemäß und körperliche Gewalt gegen Kinder klar verboten.

Gewaltfreie Erziehung ist Gesetz

Jedes Kind hat in Deutschland ein gesetzlich verankertes Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Und das ist gut so, denn Gewalt, körperliche wie seelische, hinterlässt tiefe Wunden in der Kinderseele, mit denen sie auch als Erwachsene oft noch zu kämpfen haben. Auf körperliche und seelische Gewalt zu verzichten, heißt dabei nicht, Kinder sich selbst zu überlassen. Ein sogenannter „antiautoritärer“ Erziehungsstil, wie er in den 70er Jahren als Reaktion auf die lange vorangegangene autoritäre Kindererziehung folgte, ist nicht unbedingt die Lösung. Vielmehr geht es darum, Kindern Grenzen zu setzen, ohne ihre eigenen Grenzen zu missachten.

Grenzen setzen schafft Geborgenheit

Durch konsequente und liebevolle Grenzen bekommen Kinder eine Orientierung und das Gefühl, dass ihre Eltern daran interessiert sind, was sie tun. Als Eltern zeigt ihr eurem Kind damit, dass es euch wichtig ist und dass es bei euch sicher und gut aufgehoben ist.

Gleichzeitig kann es sich austesten, seine eigenen Einflussmöglichkeiten erleben und Eigenständigkeit entwickeln. Für Kinder ist es sehr wichtig, das Gefühl zu haben, dass sie grundsätzlich wertvoll und geliebt sind und in der sicheren Beziehung zu ihren Eltern gehalten sind. Dann entsteht ein Gefühl von Geborgenheit.

Sind Strafen sinnvoll?

Grenzen sind wichtig, Strafen sind hingegen in den meisten Fällen demütigend für die Kinderpsyche. Sie demonstrieren die Macht der Eltern und schädigen eher die Beziehung zwischen Eltern und Kind, anstatt pädagogisch wertvolle Ziele zu erreichen.

Wie Lob beflügeln kann

Lob ist insgesamt ein viel stärkerer Anreiz für die Kinder als Strafe. Wir fühlen uns auch oft selbst motiviert, wenn wir gelobt werden – viel mehr als durch die Angst vor Strafen.

Wir alle lieben Wertschätzung. Ein ehrliches „Das hast du toll gemacht!“ bringt uns weiter. So ist es natürlich ganz besonders bei Kindern. Egal in welchem Alter – Kinder, die wertgeschätzt werden, wachsen daran.

Tipp: Wertschätzung sollte vor allem auch ohne erbrachte Leistung entgegengebracht werden. Ein „es ist schön, dass ich dich habe“ oder „bin ich froh, dass wir heute Zeit füreinander haben“ füllt den seelischen Tank eurer Kinder mit Liebe.

Wie Liebe, Lob und Wertschätzung eurem Kind guttun

Lob & Tadel | Image | Mutter und farbiges Kind sitzen am Boden

Stärkt die Selbstwirksamkeit:

Das Gefühl von Selbstwirksamkeit ist wesentlicher Bestandteil eines gesunden Selbstvertrauens. Es ist die Überzeugung, etwas bewirken zu können: „Ich bin nicht nur abhängig von anderen, sondern ich bin schon groß und stark und wenn ich etwas möchte, kann ich es schaffen.“

Fördert die Umgänglichkeit:

Durch liebevolles Lob kann euer Kind wichtige soziale Fähigkeiten wie Hilfsbereitschaft, Empathie, Fürsorge, Fairness entwickeln. „Ich lerne, was anderen guttut, ich erfahre Unterstützung und ich möchte andere auch unterstützen.“

Unterstützt Kompetenzen:

Vor allem durch beschreibendes Lob kann ein Kind lernen, Handlungen zu planen und auszuführen. „Es ist gut, wenn ich konzentriert meine Hausaufgaben mache und dnach umso mehr Zeit zum Spielen habe.“

Erhöht die Motivation:

Euer Kind lernt, dass Anstrengung und kontinuierliche Versuche sich lohnen, und entwickelt ie Motivation, besser zu werden, und den Optimismus, dass es seine Ziele erreichen kann. „Auch wenn mir etwas schwerfällt, gebe ich nicht auf, sondern versuche es so lange, bis ich Erfolg habe.“

Gibt Orientierung:

Euer Kind bekommt durch Lob eine Rückmeldung, welches Verhalten als positiv empfunden wird. Es dient ihm als sichere Orientierung über Werte und Regeln, an die es sich halten kann. Euer Kind kann sich so ein klares ein Bild davon machen, was es alles schon kann, was es darf und was nicht, und warum nicht.

Gibt Sicherheit in der Beziehung:

Durch Wertschätzung erfährt euer Kind, dass es von euch als Eltern gesehen wird. Es fühlt sich in der Beziehung gehalten und angenommen. „Meine Eltern interessiert, was ich tue. Und so wie ich es mache, finden sie es gut.“

Lob und Tadel – oder weder noch? Vertraut eurem Bauchgefühl!

Lob & Tadel | Image | Vater lobt seinen Sohn während sie am Tisch gemeinsam arbeiten

Der Alltag mit Kindern stellt uns als Eltern immer wieder vor Herausforderungen. Oft stoßen wir auch an unsere Grenzen. Es gibt viele Tipps und Empfehlungen, wie das Familienleben am besten klappt. Unsere 3 wichtigsten:

  • Vertraut eurem Bauchgefühl! Als Eltern spürt ihr, was das Beste für eure Familie ist. Genauso übrigens, wie eure Kinder!

  • Zeigt euren Kindern Wertschätzung und das Gefühl, dass sie gut so sind, wie sie sind – das gibt Sicherheit und Selbstvertrauen

  • Seid nachsichtig mit euch selbst, wenn es doch mal zum Schimpfen und Tadeln kommt – auch als Eltern müsst ihr nicht perfekt sein!

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Bildnachweise

Frau schimpft mit Kind am Tisch © etonastenka - AdobeStock

Papa hat weinenden Sohn auf dem Schoß © Halfpoint - AdobeStock

Papa drückt Mädchen ganz fest an sich © Halfpoint - AdobeStock

Mutter und farbiges Kind sitzen am Boden © Yakobchuk Olena - AdobeStock

Vater lobt seinen Sohn während sie am Tisch gemeinsam arbeiten © ArtSys - AdobeStock