Endlich keine Windel mehr! Für viele Eltern ist das „Trockenwerden“ ihrer Kinder ein echter Meilenstein und ein wichtiger Teil der Sauberkeitserziehung. Nicht nur wegen der Kosten- und Zeitersparnis, sondern auch, weil dieser Schritt in die Selbstständigkeit vielen Kindern neues Selbstbewusstsein gibt. Einige Eltern verzichten aber von Anfang an ganz bewusst darauf, ihr Baby zu wickeln. Die „natürliche Säuglingspflege“ ist ein alternatives Erziehungskonzept, das auf einer intensiven nonverbalen Kommunikation zwischen Eltern und Kindern beruht. Wir erklären euch, was dahintersteckt
Windelfreie Erziehung: Was steckt dahinter und wie funktioniert sie?
Was bedeutet windelfreie Erziehung?
Die windelfreie Erziehung ist eine Methode der Sauberkeitserziehung – im Englischen wird sie „elimination communication“ genannt, was auf Deutsch „Ausscheidungskommunikation“ bedeutet. Wie der Name verrät, spielt die Kommunikation zwischen euch Eltern und eurem Kind bei der windelfreien Erziehung eine entscheidende Rolle. Vor allem geht es darum, anhand von Signalen wie Geräuschen, Mimik oder körperlicher Anspannung rechtzeitig zu erkennen, dass euer Kind zur Toilette muss. So soll es die Möglichkeit bekommen, sein Geschäft zu verrichten, ohne dass das Ganze in die Windel geht.
Der Begriff „windelfrei“ ist etwas irreführend, weil es in erster Linie nicht darum geht, dass euer Kind gar keine Windel mehr trägt. Langfristig ist das natürlich das Ziel, aber bei der windelfreien Erziehung geht es weniger um ein verfrühtes Töpfchentraining als darum, die natürlichen Körperbedürfnisse von Babys und die entsprechenden Signale zu verstehen und darauf einzugehen. Die Eltern achten ab dem ersten Lebenstag ihres Babys auf bestimmte Anzeichen, die auf Ausscheidungsbedürfnisse hindeuten, und halten ihr Baby dann zum Beispiel über das Waschbecken, das Töpfchen oder die Toilette.
Ab welchem Alter ist die windelfreie Erziehung sinnvoll?
Am besten beginnt ihr schon so früh wie möglich, also direkt nach der Geburt, mit der windelfreien Erziehung eures Sprösslings, spätestens aber drei Monate nach der Geburt. So könnt ihr euer Kind bereits daran gewöhnen und die Verknüpfung herstellen, dass es beim Äußern bestimmter Signale sein Geschäft verrichten kann. Ab einem Zeitpunkt nach drei Monaten ist dieser Wechsel schwieriger und die Kommunikation bzw. die Signale sind für euch nicht mehr so deutlich zu erkennen.
Windelfreie Erziehung – Vor- und Nachteile
Das spricht dafür
Enge Bindung: Unbestreitbar ist, dass die windelfreie Erziehung ein sehr enges Verhältnis zwischen Baby und Eltern fördert. Ihr achtet vom ersten Tag an auf die Bedürfnisse und Signale eures Kindes und verlasst euch verstärkt auf eure Intuition.
Mehr Komfort: Eine feuchte Windel auf der Haut ist unangenehm. Auch die Bewegungsfreiheit wird mit zunehmender Mobilität durch die dicke Windel eingeschränkt. Wer sein Baby schon einmal für eine Weile ohne Windel gelassen hat, der weiß, wie sehr Kinder diese Freiheit genießen.
Umweltschonend: Windeln sind nicht billig – und sie verursachen jede Menge Müll. Eine windelfreie Erziehung ist daher noch umweltschonender als die Stoffwindel. Unterm Strich ist sie auch kostengünstiger, allerdings benötigen windelfreie Babys statt der üblichen Bodys meist alternative Kleidung ohne Knöpfe im Schritt. Zudem sollte die Babywäsche besonders hochwertig sein, da sie im ständigen Kontakt mit der Haut ist.
Keine Umstellung: Es ist zwar nicht das Hauptziel der windelfreien Erziehung, aber Babys, die ohne Windeln aufwachsen, kennen ihre Ausscheidungsbedürfnisse von Anfang an und haben später keine Probleme damit, sich an das Töpfchen oder an die Toilette zu gewöhnen.
Das spricht dagegen
Zeitintensiv: Eltern müssen sehr aufmerksam sein und genau auf die Signale ihres Kindes achten. Nicht immer sind diese Signale eindeutig – und nicht immer erlaubt es der Alltag, sich voll und ganz auf sein Kind zu konzentrieren.
Wenig flexibel: Zu Hause schnell mit dem Baby zum Waschbecken rennen ist machbar – aber wie ist das unterwegs? Wie läuft das Einkaufen oder Treffen mit Freunden ab, wenn man plötzlich das Baby zum Pipimachen abhalten muss? Eltern windelfreier Babys büßen so schnell an Flexibilität und Spontanität ein.
Geringe Akzeptanz: Nicht jeder kann mit dem Konzept der natürlichen Säuglingspflege etwas anfangen. Familie und Freunde reagieren oft ablehnend. Und natürlich gefällt es nicht allen, wenn häufiger mal etwas danebengeht – nicht nur in die Babykleidung, sondern auch mal ins Tragetuch oder auf die Kleidung der Eltern.
Betreuungsproblem: Für Mama und Papa ist es nach einiger Zeit ganz normal, die Signale ihres Babys zu erkennen und entsprechend zu handeln. Andere Personen tun sich damit wahrscheinlich schwerer. Das Baby für ein paar Stunden bei Oma und Opa oder beim Babysitter zu lassen, ist schwierig – so kann die sehr enge Eltern-Kind-Beziehung mitunter zur Belastungsprobe werden.
Tipps & Tricks: Wie funktioniert die windelfreie Erziehung im Alltag?
Zunächst braucht es vor allem Aufmerksamkeit von euch Eltern – und in dem Rahmen auch Zeit und Geduld. Ihr müsst zunächst ein Gefühl dafür bekommen, das Ausscheidungsbedürfnis eures Kindes zu erkennen und Signale wie zum Beispiel Gesichtsausdrücke und Geräusche zu deuten. Hier hilft es, wenn ihr euer Kind aufmerksam beobachtet. Mit der Zeit werdet ihr intuitiv erkennen, wann euer Nachwuchs aufs Töpfchen muss. Außerdem geht es nicht primär darum, dass das Kind möglichst schnell trocken wird. Vielmehr soll es lernen, das Bedürfnis, aufs Klo zu gehen, wahrzunehmen und zu verstehen.
Es hilft, wenn ihr Routine und Regelmäßigkeit in den Alltag bringt und bestimmte Zeiten für den Toilettengang einplant, zum Beispiel nach dem Essen, nach dem Aufwachen und vor dem Schlafengehen. Dieser Rhythmus stellt sich auch bei eurem Kind schnell ein, was auch die windelfreie Erziehung erleichtert.
Ihr könnt euer Baby sowohl über einem Waschbecken als auch über einem Töpfchen oder der Toilette abhalten. Am besten verwendet ihr dann aber ein Schlüsselwort (z. B. „Pipi“) oder gebt eurem Kind ein Signal, dass es jetzt sein Geschäft verrichten kann. So lernt es, den Ausscheidungsdrang besser zu kontrollieren und so lange zu warten, bis es „sicher“ ist.
Tipp: Neben dem eigentlichen Pipimachen müssen Kinder auch alles lernen, was sonst noch zum Gang auf die Toilette dazugehört. Nutzt die Gelegenheit und übt ein paar Dinge wie Händewaschen gleich von Anfang an: Je selbstständiger euer Kind auf die Toilette geht, desto schwieriger wird es, an Händewaschen und Co. zu erinnern.
Funktioniert die windelfreie Erziehung auch in der Nacht?
Auch wenn das Abhalten tagsüber etwas einfacher ist, ist die windelfreie Erziehung grundsätzlich auch nachts möglich. Es hilft aber, wenn ihr euch anfangs vor allem darauf konzentriert, erst einmal tagsüber die Toilettenroutine zu schaffen. Wenn euer Kleines schläft, hat es meist noch keine Kontrolle über seine Blase oder den Stuhlgang – das ist ganz normal. Möchtet ihr die windelfreie Erziehung auch nachts praktizieren, geht das generell einfacher, wenn euer Baby mit euch im Bett schläft. So bekommt ihr mögliche Signale, wie beispielsweise Unruhe, einfach schneller mit und könnt auch schneller reagieren. Praktisch sind hier vor allem Schlafhemden oder -säcke für euer Baby, die sich schnell und leicht öffnen lassen. Habt am besten ein Töpfchen oder eine Schüssel neben dem Bett stehen – zur Sicherheit auch Wechselklamotten für euren Sprössling. Wasserdichte Matratzenauflagen sind ebenfalls sinnvoll, wenn gelegentlich noch kleine Unfälle passieren.
Wichtig ist: Macht euch hierbei keinen Druck. Wenn ihr merkt, dass das Abhalten in der Nacht für euch nur zusätzlicher Stress ist, reicht es auch, wenn ihr die Methode nur tagsüber praktiziert. Oder ihr versucht es zu einem anderen Zeitpunkt noch mal. In dem Fall wickelt ihr euer Baby nachts ganz normal.
Töpfchen für die windelfreie Erziehung
Bildnachweise
Mädchen nach dem Bad auf dem Bett sitzend und lacht © gpointstudio - stock.adobe.com
Vier Monate altes Baby lächelnd in den Händen ihrer Mutter © Полина Власова - stock.adobe.com
Klein Kind sitzt mit seinem Teddy auf dem Töpfchen © Tomsickova - stock.adobe.com